Keiner kommt hier raus, aus der kopfsteinigen Quergasse, wenn er sich nicht scheppermutig mit der Schnauze in den Hauptverkehr schiebt, Zentimeter bange Einsicht gewinnend. Die blickdichte Reihe parkenden Metalls auf dem Seitenstreifen zwingt mich dazu. Du siehst erst, ob da wer kommt, wenn du soweit vorgerollt bist, dass du ihn schon zum Schlenker zwingst. Von links strömen sie, einer hupt. Die Fahrradfahrer sind da deutlicher, sie kämpfen sich eh bergauf und staken grimmig den Dreihandbreit-Zusatz um dich herum. Stich geradeaus durch die halbe Lücke, zum Mittelstreif mit Durchfahrt und Schienen, wieder stehen, jetzt kommen sie von rechts, aber die Sicht ist frei, die Radler wehend im Abwärtstempo. Einfädeln, im Fluss und weg.
Heute nicht. Es ist Sonntagfrüh, kaum wer auf der Straße sonst, für irgendwas ist die Innenstadt ab Alexanderplatz auch gesperrt, hat es irgendwo geheißen. Und sie nutzen Straßenbahnen als Zusatzbarrieren: Auf der Durchfahrt steht sie, mitten auf der Strecke, Haltestellen 100 Meter weg. Türen sind geöffnet, der Fahrer sitzt vorn auf der Treppe seines Ausstiegs. Er schaut in den Himmel, hellblau. Kein Laut, ich hab die Fenster unten. In der zweiten Tür eine schwere Frau, sitzt auch, pumpt Luft, reibt sich die Augen, hinter ihr ein Mensch, Hand auf ihre Schulter. Davor ein Rollstuhlfahrer, steht dort, wo ich sonst immer quere, raucht mit Hingabe. Noch zwei, drei Menschen, stilles Leben, Einhalt.
Jetzt erst, jetzt erst, jetzt erst: sehe ich es, das Auto auf dem Bug, von der Bahn in der Durchfahrt ergriffen, problemlos die Meter zum Straßenschild transportiert und es dorthinein geschoben. Dann müssen die Bremsen gegriffen haben; bestimmt hat es gekreischt, kein Wunder, dass jetzt alle die Stille pflegen. Es ging gut. Nur Blech ist verbogen, Autotüren stehen offen und können nicht mehr geschlossen werden ins krumme Ganze. Airbags füllen Fahrer- und Beifahrerplatz. Einer der Insassen sitzt, Füße nach draußen, auf der Rückbank. Er vertraut dem Auto in der Schwebe; die Nase der Bahn hält es in der Luft. Vor ihm steht eine Frau und streckt sich in die Brise. Ruhe, Erleichterung, die Körper sind ganz geblieben. Niemand muss eilen, niemand in Not. Hilfe kommt, alles wird. Wie klar die Menschen sind, aus dem Fluß genommen.
Mein Plan war ja so: Ausprobieren, erkennen, wirkenlassen, wenn’s genehm ist. Und wieder von vorn, wenn die Zeit kommt. Und wenn ich dereinst des Ritts auf dem Viederwomworm müde werd, denn leg ich mich zur Ruh, Allealle, ich sag Ja zur Humuswerdung.
Nun kam alles anders und genau so. Ab heute denn als Burgfräulein. Müd bij ich nicht, sondern geilyschmusycrazy neugierig, was noch. Für Dich, mich und uns andere, wo auch: Hurra!
Über mir ein Gemächt.
Aus Stein. Nicht Fleisch. Nicht echt.
Drum könnt ich ohne Sorgen.
Sagst Du, sitzen bis morgen.
Als ob die Welt nicht eiert
und Logik Urlaub feiert.
Weißt Du’s, Du Besserwisser?
Fleisch ist Steini ein Pisser.
Wo ich’s grad merk: Schmerz macht unleidlich, wenn er sich nicht nur momentan entlädt, sondern sich in den Alltag einnistet. Bockig wird der Mensch, laviert herum ums Schmerzgekröse, verkrümmt an Haltung und Gemüt. „Würd ich meinem ärgsten Feind nicht gönnen“, behauptet er voll Sehnsucht, als würd ihm Mutter Pein den Ausweg lassen, das Päckchen anderen aufzubürden.
Kürzest werden die Gedanken: Wie von A nach B, möglichst nicht über Weh? Jeder Schlenker ist ein Zusatz an Mühsal, heut kein Schwung ins Fantastengeäst, Wechsel macht Knarz im Körpergebälk. Stöhnlaut, Burnout, Ausderhaut. So viel an Mordio wuchert aus schmerzlicher Zeter, mein Krampf, Hass ist der Orgasmus der Ungestreichelten.
Wahre Hingabe hingegen mündet in verschnurrtem Glücksgeräkel. Das braucht es hier im Ohwehwehweh für den Malträtierten von den empathischen Unversehrten: Medizinisches Schmusihuana, La Knutsch, Leckemäulchen, das feine Schmatzeratz. So streicheln wir uns Leben und Rücken wieder entzückend geschmeidig. Wir, gut für uns, und köstlich in der Welt, gern auch mit Reiben, Funkelaugen, wachem Streit, alles statt grimmer Gnatschnflatsch, spuckendem Hassndas und Atze Stöhnenhöhn. Da haben wir die Wahl, an jedem Tag. Und wählen, ja, das Schöne ins uns eben, da lacht der Ischias über den kleinen Schmerz. Und Hexenschluss.