Ja, soll ich ihn denn nie mehr streicheln? Weil sich zwischen uns die Unberechenbare geschoben hat, vor der ihm bange ist, womöglich ja mit Grund?

Der Schlaf kommt wieder nicht zu mir
drum gehe ich. Zur Küchentür
an deren Rahmen ich sie find:
Die Wachstumsstriche für das Kind.
Einmal pro Vierteljahr mach neu
Auf dass sein Wachstum ihn erfreu.
Mich selber lässt die Küche kalt.
Ich weiß, wie Größe geht. Bin alt.

Doch heute Nacht, am -zigsten Tag
Gefangenschaft im Haus mit Blag
da jucken mich die Striche doch.
die letzen zweiundfünfzig Woch’
radier ich aus. Strichel sie neu.
Und so, dass ich mich auch mal freu
Setz jeden winzig höher an
das lässt den jüngsten, höchsten dann
ein Stück über dem Echten stehn
(würd man den Echten jetzt noch sehen).

Tag -zig plus ein. Nun komm, mein Kind,
wir wollen dich messen, komm geschwind.
Oh, sieh doch, schau doch, kann das sein!
Du schrumpfst seit letztem Male ein!
Der neue Strich steht unter’m alten.
Dann müssen wir uns unterhalten.
Was das bedeutet: Unbestritten
hast du den Zenit überschritten.
Nun fährst Du talwärts. Füge dich.
Wirst nie und nimmer größer ich.

Und für die Dauer eines Nu
da herrscht beinah perfekte Ruh
Man könnt ein’ Hauch von Weinen hören
Doch das kann mich im Schlaf nicht stören.

Weißt Du noch, wie’s damals war?
Vor – gefühlt – rund 100 Jahr?
Als man, Hi Hallo, umarmt hat.
Zwischen uns, da passte kein Blatt.
Manchmal war das warm und schön.
Anderem wollt man entgehen.
Doch da gab es kein Erbarmen.
Handschlag war passé. Umarmen.

Mancher rückte Dir sehr schnelle
bei Treff Eins schon auf die Pelle.
Dann gab es die Angeschwitzten.
Dann die sozial Abgeblitzten,
die sehr lang im Clinch verblieben.
Andere, die hüfthoch knicken
Brust nach vorne. Und sie rieben
ihre Hände ab am Rücken.

Meine Liebe galt den Vollen
Warm, weich und geborgen
Nicht mehr aus den Armen wollen
Kein Telefon, kein Morgen.
Drahtige hingegen schon
hatten gleichfalls Kondition
doch ich fühlte mich, als hänge
an mir’n Rucksack voll Gestänge.

Nun. Vermiss ich alle doll.
Pack mich. Piek mich. Schwitz mich voll.
Liebstes Überangebot.
Ach, ich merk’s erst in der Not.
Treff ich heute wen, dann steht er,
muss so sein, Abstand zwei Meter
Heute passt ein Baum dazwischen.
Du und ich. An zwei paar Tischen.
Sehnsucht und Parole: Bald.
und die Arme wollen Halt
und es zieht mich zu den Meinen
Digital umarmt. Zum Weinen.

Wenn Corona alle ist
Werde ich zum Umarmist.
Sie wird – richt Dich schon mal ein –
länger als die damals sein.