Je weniger Geld man hat, umso mehr wird es einem zum Thema. Die Taxameter unseres Umfelds sorgen dafür. Mit grabesschwerer Ernsthaftigkeit wird der Mangel angemahnt.
Vergleichbares widerfährt dem Jubilär jenseits der 70er. Je weniger Lebensdauer ihm statistisch bleibt, umso mehr wird er von den Gratulanten daran erinnert. Anders nun aber als beim Geld wird der Mangel hier – im Ritual des Hochlebenlassens – zugleich erwähnt und verlacht, als handle man mit Freund Hein über den Humor ein Fristgeschenk aus: Auf die nächsten 80 Jahre, hahaha…dass Du wenigstens noch 20 gute Jahre …und wenn es nur 10 sind, Hauptsache, gesund und glücklich.
Selbst dem empathielosesten Stumpf nun leuchtet es ein, dass der Gratulant sich niemals am Tonfall des Rechnungsmahners orientieren sollte: „Wenn Sie binnen 14 Tagen Ihrer Sterbeverpflichtung nicht nachkommen, sehen wir uns gezwungen, Ihren Tod auf juristischem Wege einzuleiten.“
Andersherum vielmehr können Gläubiger freudiges Staunen in die Gesichter ihrer Adressaten zaubern, wenn sie von der trotzigen Zuversicht der Mangelgratulanten zu lernen bereit sind. Ein paar Anregungen für künftige Mahnschreiben: Jetzt haben Sie so lange nicht gezahlt – das schaffen Sie doch noch mal so lang. – Wir vergessen die Summe, damit Sie wenigstens noch 20 gute Jahre… – Hauptsache, gesund und glücklich. Dem eigentlichen Geschäft des Eintreibens mag Milde nun vordergründig abträglich sein. Doch wäre – um in Zungen zu sprechen, die Kaufleute verstehen – die eigene Bilanz nicht wertiger, stünde unter dem letzten Kassenbericht „Shangri La Vergebung“ statt „Moskau Inkasso“?
Zusammengefasst und auch im Sinne des Geburtstagkindes fasse ich zusammen:
Leben bis zum Tod. Tod als Abwesenheit von Angst. Vorher noch Kuchen.
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